Neptunes: Gefäße aus Kupfer und Messing als Tauschwaren im europäischen Afrikahandel

Aus Heft 88: Primitivgeldsammler 33/2, 65-84 (2012) ; Bei korrekter Zitierweise ist die Übernahme von kleineren Text-Ausschnitten ohne Rückfrage erlaubt.

Vessels from copper and brass as exchange goods in the European Africa – trade

Vaisseaux de cuivre et de laiton comme merchandises d’échange dans le commerce européen avec l’Afrique

Fritz Klusmeier

Die Auffassung, die europäischen Händler hätten den Afrikanern ihre Produkte im 15. bis 19. Jahrhundert mit billigem Ramsch abgekauft, ist durch die Forschung längst revidiert. Zwar haben die Europäer schon den Versuch gemacht, den Afrikanern möglichst billige Tauschwaren anzubieten, (gepanschten Alkohol, Textilien und Gewehre minderer Qualität, getragene Kleidungsstücke, rostige Messer, verunreinigtes Schießpulver, Glasperlen) und dabei auch z. T. Erfolge erzielt. Aber gerade die afrikanischen Handelspartner an der Küste lernten schnell, Qualitätsunterschiede zu erkennen, und wurden immer wählerischer; denn durch den Konkurrenzkampf der europäischen Händler aus verschiedenen Nationen untereinander waren die Afrikaner in der Lage, unterschiedliche Angebote zu vergleichen (vgl. z. B. Müller S. 260ff., de Marees S. 55f.)
Es ist bekannt, dass die europäischen Warenangebote nicht nur quantitativ immer umfangreicher wurden (die Schiffe glichen schwimmenden Warenhäusern), sondern dass sie auch hochwertige Güter heranschafften.
Alpern z. B. hat zusammengestellt, „what Africans got for their slaves” (S.5), und die zeitgenössischen Berichte der europäischen Händler sind voll von Warenlisten (Schiffsladungen, Tausch-Transaktionen, Inventare der Handelsniederlassungen).

Neben Textilien spielten dabei Metalle eine herausragende Rolle (Eisen, Kupfer, Zinn, Blei, Messing): Zigtausende von Tonnen Metall in verschiedener Form (Barren, Draht, Fertigwaren) wurden nach Afrika verschifft. Und es ist ja nicht zu bezweifeln, dass das wertvolle Güter waren. Dabei waren Gefäße aller Art besonders begehrt (vgl. Barbot II, S. 559, Dapper S. 473)(1) Für diese Gefäße finden sich in den Quellen unterschiedliche Bezeichnungen:

  • englische:        basin, pan, cauldron, pot, dish, plate, disk, tray,  bowl
  • französische:  bassin, chaudron, vaisselle, assiette, cuvette, satalas, marmite
  • deutsche:        Becken, Schüssel, Kessel, Pfanne, Schale, Tablett
  • holländische:   bekken, ketel, pan, taetsen, a(e)ker.

In allen diesen Sprachen wird als Fachausdruck auch die Bezeichnung „neptunes“ (holländisch „nepten“) verwendet (2), und vor allem diese Neptunes sind geldgeschichtlich interessant.

Abb. 1: Ein afrikanischer Händler mit einer Rolle Stoff um die Hüften, der in der linken Hand eine flache Platte aus Kupfer hält (aus de Marees, 1601 (1987, S. 33) / u. bei Garrard, 1980) Vgl. auch die Abbildungen Bei Garrard S.80 und 172.

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Roanoke – eine frühe Geldform in Virginia, USA

Aus Heft 87: Primitivgeldsammler 33/1, 3-11 (2012); Bei korrekter Zitierweise ist die Übernahme von kleineren Text-Ausschnitten ohne Rückfrage erlaubt.

Roanoke – an early form of money inVirginia,USA

Roanoke – une type de monnaie précoce en Virginia, USA

 Bernhard Rabus

ZUSAMMENFASSUNG

Roanoke besteht aus dicken, in der Mitte durchbohrten Muschelscheiben. Das Material ist offensichtlich Mercenaria mercenaria. Die Scheiben haben einen Durchmesser von etwa 1 – 1,2 cm. Roanoke war eine eigenständige Geldform der Indianer in Virginia und North Carolina, die parallel zu wampum benutzt wurde und deren Gebrauch im 17. und 18. Jahrhundert gut dokumentiert ist. Offenbar existieren heute nur noch wenige Exemplare dieser Geldform, eines davon im History Museum in Roanoke, Virginia.

 

Titelbild: Roanoke (rawrenoke) Strang aus der Sammlung des History Museum of Western Virginia, Roanoke, Virginia, USA. (Courtesy of the Historical Society of Western Virginia). Durchmesser der Muschelscheiben angabegemäß max. 1,25 cm

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Afrikanische Metallreifen als Wertmesser IV: konga – Beinstulpen der Bakutu in der Demokratischen Republik Kongo

Aus Heft 86: Primitivgeldsammler 32/2, 69-81 (/2011); Bei korrekter Zitierweise ist die Übernahme von kleineren Text-Ausschnitten ohne Rückfrage erlaubt.

Konga anklets of the Bakutu, Democratic Republic of Congo
Jambières konga des Bakutu du République Démocratique du Congo

Rolf Denk

Bakutu – Frauen mit konga Beinstulpen. Stulpenöffnung vor dem Schienbein getragen; Knöchelpolster. (Foto von Lamote aus Office de l‘ Information du Congo Belge, 1958; Provinz : Equateur, Region : Tshuapa, Zone: Boende)

 

Wie in dem Beitrag zu den konga Kupferstabbarren schon dargelegt wurde, ist das Mongo–Wort konga mehrdeutig, und die so bezeichneten Gegenstände lassen sich ohne detaillierte Beschreibung oder erklärendes Foto nicht identifizieren (Denk, 2010). Hier wird über ein weiteres in der Literatur konga genanntes Objekt berichtet, das sich eindeutig als ein charakteristisch geformter Beinschmuck, der auch Zahlungsmittel- Funktion hatte, erkennen ließ. weiterlesen

Baretule – das „Hexengeld“ der Frafra und Nankani in Nord-Ghana


Aus Heft 85: Primitivgeldsammler 32/1/ (2011); Bei korrekter Zitierweise ist die Übernahme von kleineren Text-Ausschnitten ohne Rückfrage erlaubt.

Baretule – das „Hexengeld“ der Frafra und Nankani in Nord-Ghana

Baretule – The „Witch-Money“ from the Frafra and Nankani in Northern Ghana
Baretule – „Sorcières de l´argent“ la Frafra et Nankani dans le nord du Ghana

Johannes Glaser

Dass Afrika immer noch für Entdeckungen gut ist, erfuhr ich bei einer Feldforschungsreise im März 2009. So entdeckte ich in einem Frafra-Gehöftein recht seltsam anmutendes Eisen-Objekt, wie ich es noch nie zuvor in ähnlicher Ausführung zu Gesicht bekommen hatte. Es war dies ein sauber geschmiedetes, etwa 12 cm langes „Doppel-Messerchen“ mit zwei sich gegenüber liegenden sichelförmigen „Schneiden“.

Abb.2: baretule / soa-sooba Money unterschiedlichen Alters, 10-17 cm

Dieses Objekt lag, zusammen mit anderen Gerätschaften (siehe unten: Sooba Nutua) an einem Gebune2, um Hexen- bzw. Schadenzauber auszutreiben und vom Gehöft fern zu halten3. Auf meine Frage, um was für ein „Gerät“ es sich hierbei handelt und ob es mehrere ähnliche Stücke im Gehöft gäbe, bekam ich lediglich zur Antwort: „That´s Sooba Money“4. Weiterer Versuche, mehr über die Gebrauchseigenschaften dieses Gegenstandes in Erfahrung zu bringen, schlugen fehl und wurden, höflich ausweichend damit beantwortet, dass man aus Sicherheitsgründen nicht mehr darüber sagen dürfe. Nur so viel bekam ich noch heraus, dass solche Objekte landläufig als Baretule5 (engl.: Twisted Knife) bekannt wären und nur die Frafra und Nankani solche Objekte herstellen und besitzen würden. Weitere Nachforschungen blieben in den darauf folgenden Wochen und Monaten erfolglos.

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konga – Kupferstabbarren aus der Demokratischen Republik Kongo

 Aus Heft 84: Primitivgeldsammler 31/2 (2010); Bei korrekter Zitierweise ist die Übernahme von kleineren Text-Ausschnitten ohne Rückfrage erlaubt.

konga – copper rod ingots of the Democratic Republic of the Congo

konga – lingots de baguette de cuivre de la République Démocratique du Congo

Rolf Denk

Will man sich bei der Suche nach indigenen Zahlungsmittel der Kongo Region des   Begriffs konga bedienen, so findet man schnell, dass darunter ganz verschiedene Gegenstände verstanden werden. Als Beispiele seien 1) die kupfernen Stabbögen, besser als boloko bekannt, der Nkutshu und Songomeno, 2) die Unterschenkelmanschetten aus Kupfer oder Gelbguss der Kutu und 3) die Kupferstabbarren der Bolongo und Bolendo genannt. Die Gemeinsamkeit der drei Beispiele besteht darin, dass die angesprochen Volksgruppen alle zur großen Mongo Völkergruppe gehören. Das Wörterbuch „Ləməngə – Française“ von G. Hulstaert (1957) bietet für das Wort konga die Übersetzung cuivre, anneau de cuivre [Kupfer, Kupferring] an. Mit dem Begriff konga ist demnach nicht jeweils ein bestimmtes Objekt, sondern nur das Material gemeint. Das macht es sehr schwer oder gar unmöglich auf einen bestimmten Gegenstand zu schließen, wenn in den Publikationen von konga als Zahlungsmittel, Wertobjekt oder Brautpreisbestandteil die Rede ist, ohne dass der angesprochene Gegenstand näher beschrieben oder abgebildet wird. Vor vielen Jahren konnte ich eine Serie von etwa 23 bis 26 cm langen, runden Kupferstäben unterschiedlicher Dicke erwerben. Manche hatten einen weitgehend gleichmäßigen Durchmesser, die meisten waren aber in der Mitte bauchf örmig verdickt. Zum Teil waren die Stäbe an den Enden glatt „abgeschnitten“, bei anderen waren die Enden wie bei einem alten Meißel pilzhutförmig gestaucht. Fast bei allen Stücken ließ die Oberfläche Schmiedespuren und eine schöne alte Patina erkennen. Die Gewichte streuen zwischen 330 und 1250 Gramm.

In der Literatur konnte ich damals keine Abbildung oder exakt deutbare Beschreibung finden. Vor allem fehlte mir eine Bestätigung der vom Verkäufer angegebenen Zahlungsmittelfunktion. Bei der Suche nach Informationen zu den lokolo – Spiralstabbarren in der Sammlung Sulzmann, die im Institut für Ethnologie und Afrika-Studien der Universität Mainz aufbewahrt wird, zeigte mir Frau Dr. Anna-Maria Brandstetter einige Kupferstabbarren, die sie während ihrer Feldforschungen bei den Bolongo 1986/87 erworben hatte. Frau Brandstetter bestätigte mir, dass diese Kupferstäbe unter der Bezeichnung konga als Zahlungsmittel dienten. Genauere Daten zu diesen Stücken geh örten zu ihrer damals noch nicht fertig gestellten Promotionsarbeit und sollten deswegen als inoffizielle Mitteilung noch nicht verbreitet werden. weiterlesen

Bernsteingeld aus dem Sudan

Primitivgeldsammler 23/1-2, 22-25, (2002); Bei korrekter Zitierweise ist die Übernahme von kleineren Textausschnitten ohne Rückfrage erlaubt.

Günter Kuhn

Bernsteingeld aus Deutschland gilt im Sudan als wertbeständiges Zahlungsmittel. Noch 1952 wurden in Hamburg solche Perlen / Kugeln aus Naturbernstein, Pressbernstein aber auch aus „Edelkunstharz“ für den Export hergestellt.
Artikel Archiv S.1 Kuhn, Perlen, Bild S.1 (Andere)

(Anklicken zum Vergrössern)

-> vollständiger Artikel: Kuhn _ Perlen

Was ist „Primitivgeld“?

Aus Heft 56/1999, "Der Primitivgeldsammler"; Bei korrekter Zitierweise ist die Übernahme von kleineren Text-Ausschnitten ohne Rückfrage erlaubt.

F. Klusmeier

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ZUSAMMENFASSUNG

1. Wer nichtmonetäre Geldformen („Primtivgeld“) definieren will, muss zunächst klären, was `Geld‘ ist.
2. Es ist augenscheinlich wegen der Komplexität des Phänomens `Geld‘ fast unmöglich, das Wesen des Geldes durch eine Definition zu bestimmen.

3. Ein überzeugender, aber viel bescheidenerer Ansatz ist, `Geld‘ über seine Funktionen zu definieren: Geld ist, was als Geld funktioniert. Dieser Ansatz hat sich weitgehend durchgesetzt.

4. Meistens geht man von drei oder vier Grundfunktionen aus:

a)     Tauschmittel

b)     Zahlungsmittel

c)     Wertmesser

d)     Wertaufbewahrungsmittel

5. Das Geld der modernen Verkehrswirtschaft ist Allzweckgeld, d.h., es erfüllt im Normalfall alle Grundfunktionen..

6. Seit mindestens 5000 Jahren und bis in die Gegenwart gibt es Geldformen außerhalb von Münz-, Notal- und Giralgeld.

7. Diese Geldformen sind selten Allzweckgeld, oft aber Spezialgeld, d.h., sie sind in ihrer Funktion eingeschränkt.

8. Da wegen der vielen Ausnahmen eine Definition dieser Geldformen über die technischen Eigenschaften nicht möglich ist, bleibt auch hier nur der Weg, es mit dem Kriterium `Funktionen‘ zu versuchen.

9. Ich schlage folgende Definition vor:

Der Begriff „nichtmünzliche Geldformen“ (Geld außerhalb Münzen, Banknoten und Buchgeld) bezeichnet quantifizierbare Wertobjekte, die mindestens eine der drei Geldfunktionen Zahlungsmittel, Tauschmittel und Wertmesser erfüllen.

Die vierte der oben genannten Grundfunktionen (Wertaufbewahrungsmittel) wird bewusst ausgespart, da ihre Berücksichtigung zu einer untragbaren Unschärfe des Begriffs führen würde.

10. Augenscheinlich gibt es keinen Begriff, mit dem diese Geldformen überzeugend zu bezeichnen wären; das liegt vor allem daran, dass so viele unterschiedliche Geldphänomene berücksichtigt werden müssen.

11. Seit sich Wissenschaftler mit diesen Geldformen beschäftigen, gibt es Klassifizierungsversuche unter verschiedenen Gesichtspunkten (geographisch/ regional, historisch, nach dem Geldmaterial, nach Funktionen und Verwendungsbereichen). Diese Klassifizierungen haben z.T. wertvolle Einsichten geliefert.

12. Bei der Beschäftigung mit diesen Geldformen muss der Betrachter vom sozialen, politischen, ökonomischen und ideologischen Kontext der Phänomene ausgehen; er hat sich zu hüten vor einer ethnozentrischen Sichtweise bei Begriffsbildung, Definition, Funktionsanalyse und Klassifizierung.

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