Kesa und die Wissenschaft

Aus Heft 89: Primitivgeldsammler 34/1, 40-47 (2013) ; Bei korrekter Zitierweise ist die Übernahme von kleineren Text-Ausschnitten ohne Rückfrage erlaubt.

Kesa and the science
Kesa et la science

Bernhard Rabus

ZUSAMMENFASSUNG

In ihrem Buch „Tridacna gigas – Objets de Prestige en Mélanesie“ (2011) behaupten die Autoren Éric Lancrenon und Didier Zanette auf den Seiten 135 und 136, kesa sei nicht aus Tridacna Muschelschale sondern aus der Röhre eines Kuphus hergestellt. Diese Behauptung und ihre Grundlagen werden im Folgenden auf ihre Richtigkeit hin überprüft.  Bereits 1991 kam ein wissenschaftliches Gutachten zum Schluss, dass kesa aus „clamshell“, also Tridacna besteht. Die nachstehende Untersuchung bestätigt dies und widerlegt damit Lancrenon und Zanette. Die Untersuchung zeigt auch anschaulich die unterschiedlichen Material-Kennzeichen von Kuphus und Tridacna.

Aufstellen und Ausmessen der neun mata Zylinder einer kesa Einheit auf Choiseul.
(Foto Harold W. Scheffler 1958-1961. Quelle: UC San Diego: Manderville Special Collections Library)

 

1. Vorbemerkung

Der von den Autoren als hauptsächliche Quelle benannte amerikanische Anthropologe Harold Scheffler (Choiseul Island Social Structure, 1965) war 50 Jahre vor ihnen und sehr viel länger auf Choiseul gewesen. Seine Informanten leben vermutlich heute nicht mehr und schon damals konnte sich niemand mehr an eine Zeit erinnern in der kesa hergestellt worden wäre. Ich schenke deshalb den Aussagen seines Buches zum Thema kesa mehr Glauben als möglichen zeitgenössischen Beobachtungen der Autoren  und Aussagen heutiger Bewohner von Choiseul. Die zweite Autorität, auf die sich die Autoren stützen, ist A. Capell (1943). Capell war nicht vor Ort sondern hat verfügbare Literatur ausgewertet. Nach gründlicher Analyse seines Textes bin ich zu der Auffassung gelangt, dass er kesa von Choiseul und Muschelscheibchengeld von Bougainville vermengt hat (siehe Ziff. 7).

Das Material aus dem kesa besteht werde ich kontrovers zu den Autoren diskutieren, die Methode der Herstellung wird jedoch ein Geheimnis bleiben.

2. Grundsätzliche Annahmen

 2.1 Begriffsbestimmung „kesa“

Zunächst ist der Untersuchungsgegenstand eindeutig zu definieren.
Eine Geldeinheit kesa auf der Insel Choiseul in den Salomonen besteht aus drei Paketen salaka von denen jedes wiederum drei einzelne Zylinder mata oder lupe beinhaltet. Das sehen auch die Autoren so.
(S. 136). Ein kesa besteht also aus neun Zylindern. Beim Austausch werden alle neun auf einander gestellt (standing up) und der Turm muss ohne Hilfe stehen bleiben Das vorstehendeTitelbild zeigt das Resultat dieses Vorgangs. Scheffler hat diesen in einer Bildserie festgehalten. Seine Beschreibung dazu lautet: „This series shows the process of standing up kesa in order to display and measure it, as was conventional procedure in all kesa transactions. Wrappings are of ivory nut palm leaf and the measuring stick, which also prevents the rickety stack from falling, is the mid-rib from the leaf. The kesa must stand freely and be neatly arranged, but the rough edges of the thin shell make this difficult. The man in the center is the owner of this kesa, which is worth five small kesa, and he shows obvious delight in this display. Kesa larger than this one were given personal names, and their histories were carefully remembered and related by the owners“. Das kesa des Titelbilds gehört also zur obersten Wertklasse des „working kesa“ (kesa zazu = arbeitend  oder kesa soka = zum Tauschhandel nach Scheffler). Einzelne Ringe oder Zylinder, ob groß oder klein, mögen wertvoll sein, stellen aber kein kesa dar.

2.2 Unterscheidung „large kesa“ und „working kesa“

Die Autoren unterscheiden zwischen  „large kesa“ und „working kesa“ (Seite 135) und beziehen sich bei dieser Differenzierung auf Harold Scheffler (1965). Das ist richtig. Nach Scheffler ist „large kesa“ ein Prestigeobjekt und wird nur bei wichtigen Gelegenheiten verwendet, während „working kesa“ den normalen Zahlungen dient. Wodurch unterscheiden sich die beiden?

Ein Fehlschluss ist die Feststellung der Autoren, dass nach Scheffler das Hauptcharakteristikum für diese Unterscheidung die Dicke oder Stärke der Zylinder sei. Scheffler jedoch bezeichnet kesa allgemein als „thin-walled“. Er unterscheidet die beiden Formen vielmehr in erster Linie nach der Gesamthöhe der neun aufeinander gestellten Zylinder. Nachdem er die Höhe des größten und wertvollsten „working kesa“ (anhand seiner Angaben von mir auf 55 – 60 cm geschätzt) genannt hat (siehe Ziff. 2.3), schreibt er: „The largest kesa anyone claimed to have seen was over a fathom in length, and each individual mata was said to measure from the tip of the thumb to the tip of the small finger over an outstretches hand“ (Scheffler, Seite 201). Dieses Einzelmaß entspricht etwa 20 cm pro Zylinder. Ein „large kesa“ besteht also aus neun Zylindern (nach Scheffler können es auch acht oder zehn sein), die zusammen länger als das größte „working kesa“ sind bis hin zu den von Scheffler erwähnten sagenhaften 1,80 Metern, wobei die Wandstärke durchaus stärker sein kann als bei „working kesa“. Ob der einzelne Zylinder oder Ring, den auf dem Foto auf Seite 138 ein Mann hält und der als „large kesa“ bezeichnet wird, zu einem kesa gehört wird leider nicht explizit gesagt.

2.3 Größe und Wertstufen von „working kesa“

Die Autoren gehen auch hier nicht sorgfältig mit ihrer Hauptquelle Scheffler um, denn sie schreiben dazu (übersetzt): „Die Abmessung kann unterschiedlich sein, der Durchmesser schwankt hauptsächlich zwischen 5 cm und 8 cm. Die Länge der Zylinder ist sehr variabel, zwischen  6 und 15 cm“ (S. 135). Woher diese pauschale Aussage kommt ist mir unbekannt. Sie kann sich eigentlich nur auf „large kesa“ beziehen, denn „working kesa“ besteht aus kleineren Zylindern. Scheffler beschreibt die Höhe der 9 auf einander gestellten Zylinder innerhalb der von ihm festgestellten fünf Wertstufen (von denen auch die Autoren sprechen) für die kleinste Einheit „from the finger tips of the outstretched hand to about three inches (7,6 cm) below the inner crook of the elbow“. Wenn ich unterstelle, dass andere Leute etwas längere Arme haben als ich so schätze ich dieses Maß auf 40 – 45 cm. Bei 9 Zylindern entspricht das der durchschnittlichen Höhe eines Zylinders von 4,5 – 5 cm. In der Tat erhielt Scheffler bei seiner Abreise von Choiseul als Geschenk ein kesa potaka kameka (= Wertstufe eins),  dessen 9 Zylinder auf einander gestellt 45 cm ergaben (Davidson 1996:44). „The fifth size should reach to the center of the biceps“ schreibt Scheffler. Das schätze ich auf 55 – 60 cm und ergibt etwa 6,5 cm pro Zylinder (Scheffler 1965, Seite 201). Siehe dazu auch das Titelbild oben.
Innerhalb der von Scheffler angeführten fünf Wertstufen von „working kesa“ sind also die einzelnen Zylinder im Durchschnitt zwischen 4,5 und 6,5 cm hoch.

Auch die Aussage der Autoren, die „working kesa“ seien sehr dünn, ihre Dicke überschreite kaum 2 mm, kann man so nicht stehen lassen. Die Wand aller mir bekannten kesa Zylinder ist außen vertikal, innen jedoch leicht konvex. Die von mir vermessenen Zylinder haben zwar am Rand eine Stärke von 2 – 3 mm, jedoch in der Mitte eine solche von 4 – 6 mm.

3. Die hier angesprochenen Vergleichsstücke

 a) Drei kesa Zylinder, die Teil eines kompletten kesa sind und ein einzelner Zylinder. Alle vier sind dünnwandig und eindeutig „working kesa“. Sie sind nachstehend abgebildet, jeweils normal und gegen das Licht. Auf den Fotos finden sich jeweils die Maße.

b) Eine Kuphus polythalamia Röhre sowie Röhrenbruchstücke:

kesa 1 Gegenlicht

kesa 1 Gegenlicht

kesa 2 - Gegenlicht

kesa 2 – Gegenlicht

kesa 3 - Gegenlicht

kesa 3 – Gegenlicht

89-1-2012 Kesa 1-3 (Groß)

kesa 4 - Gegenlicht

kesa 4 – Gegenlicht

 

Kuphus polythalamia – Blick in die offene Röhre

4. Kesa besteht nicht aus Kuphus

4.1 Behauptung der Buchautoren

Übersetzung (S. 135): „Bis heute gehen die einschlägigen Schriften über kesa davon aus, dass diese Zylinder aus fossiler Tridacna hergestellt worden sind. Es ist wahr, dass der erste Typ kesa, „large“ kesa, die gewöhnlichen Zeichen der Fossilisation und des Verfalls von Tridacna tragen, die man aber überhaupt nicht bei den sehr dünnen findet. Wenn man den Stoff der beiden kesa Typen aufmerksam vergleicht, sieht man, dass dieser verschieden ist. Nur die dünnen kesa  weisen ein „piqueté“ der Oberfläche auf, ähnlich den Wachstumslinien. Um dieses Thema zu ergründen haben Philippe Bouchet, Spezialist für Mollusken am Muséum d´Histoire naturelle in Paris und sein Assistent Rudo von Cosel sich mit dieser Frage auseinandergesetzt. Von Cosel hat in Paris eine „working“ kesa, eine „large“ kesa  und ein Probestück einer Kuphus Röhre analysiert. Für ihn sind „large“ kesa sehr wohl aus fossiler Tridacna hergestellt, aber die dünnen kesa, deren Wachstumslinien unter dem Mikroskop deutlich zu sehen sind, stammen von Kuphus Röhren

Und später: „.Diese Mollusken (gemeint ist Kuphus) sind nicht fähig Holz anzubohren und leben im Schlamm der Mangroven, hauptsächlich auf den Philippinen, aber auch auf den Salomoninseln. Der „Kopf“ ist eine kleine zweiklappige Schale von 1 bis 2 cm Länge und der Weichkörper schützt sich indem er sich mit diesem merkwürdigen und großen Kalkgebilde umgibt, das im Schlamm versenkt ist. Dieses kann bis zu 2 Meter lang werden, die Röhre erweitert sich von 2 zu 10 cm am tiefsten Punkt. Diese zylindrische Form wurde also zerstückelt um das Basis-Geld zustande zu bringen. Die unterschiedlichen Durchmesser der kesa, die sich eins ums andere auftürmen, sind mit dem schrittweisen Zuschneiden der Röhre verbunden

4.2 Was ist Kuphus?

Das Tier wird im Buch gut beschrieben;  auf Seite 136 Mitte ist ein Haufen solcher Röhren abgebildet.
Nachstehend ist eine Kuphus Röhre abgebildet, die ich besitze und das Foto darunter zeigt das Tier, das in der Röhre wohnt.

Kuphus polythalamia

 

 

 

 

Kuphus (Röhre entfernt)

 

Von Kuphus  gibt es nur eine Art, Kuphus polythalamia (Linnaeus, 1758), eine Verwechslung ist also ausgeschlossen.

 

 

 

 

4.3 Gegenargumente zur Behauptung 4.1

a) optisch

  • Die im Buch auf Seite 134 abgebildeten drei Zylinder weisen deutlich  wellenförmige Wachstumslinien auf wie sie für Tridacna typisch sind. Vergleiche hierzu auch die wunderschöne baravaPlatte auf Seite 198, die zweifelsfrei aus Tridacna besteht und die gleichen Linien aufweist.
  • Vor einer starken Lichtquelle zeigen die von mir untersuchten „working kesa“ durchschnittlicher Größe ebenfalls Wachstumslinien (siehe oben).
  • Die Kuphus Röhre zeigt dagegen vor einer starken Lichtquelle keinerlei Strukturlinien, das Bild ist frei von irgendwelchen Wachstumslinien.

    Kuphus (im Gegenlicht ohne Wachstumslinien)

  • Die Bruchflächen der Kuphus Röhre und eines kesa Zylinders zeigen eine völlig unterschiedliche Struktur. Während die des Kuphus deutlich eine feine radiale Struktur aufweist, gleicht die flache Bruchfläche von kesa dem typischen „Muschelbruch“ (siehe dazu das vergleichende Bild unten. Herr Dr. Winfried Werner, stv. Direktor der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie in München, hat die Bruchstellen unter dem Mikroskop geprüft und ebenfalls festgestellt, dass  die Struktur der beiden Materialien nicht übereinstimmt.

    Vergleich der Bruchkanten von Kuphus und kesa-Zylinder

Wachstumslinien sind also typisch für Tridacna (das schreiben die Autoren selbst), nicht für Kuphus! Die Autoren schlagen sich mit den eigenen Waffen und widersprechen sich selbst.
Wie der im Buch zitierte Wissenschaftler zum gegenteiligen Urteil kommen konnte ist und bleibt mir ein Rätsel.

b) technisch – methodisch

  • Der letzte unter 4.1 zitierte Satz lässt mich daran zweifeln dass die Autoren je kesa Zylinder und eine Kuphus Röhre in der Hand gehabt haben. Die „kesa, die sich eins ums andere auftürmen“ haben keinen unterschiedlichen Durchmesser! Sie müssen exakt denselben haben, sonst könnten sie nämlich nicht aufeinander stehen (siehe Titelbild). Aus dem „schrittweisen Zuschneiden“ einer sich konisch verjüngenden Röhre lassen sie sich nicht gewinnen.
  • Die Kuphus Röhre verjüngt sich nach den eigenen Angaben der Autoren von 10 auf 2 cm. Sie ist damit nicht zylindrisch wie sie schreiben, sondern konisch. Die Verjüngung der Röhre lässt daran zweifeln ob es gelänge überhaupt nur einen Zylinder mit senkrechter Wand daraus zu gewinnen.
  • Sollte das entgegen meiner Annahme möglich sein, so müsste man 8 weitere Stücke mit exakt dem gleichen Innendurchmesser finden um ein kesa zu formen.
  • Die verfügbaren Fotos von Kuphus Röhren zeigen alle, dass die Röhren meist sehr krumm und verwunden sind (siehe das Foto unter Ziff. 4.1 oben).

Auch diese Betrachtung zeigt, dass die Behauptung der Autoren, kesa sei aus Kuphus Röhren hergestellt worden, völlig unrealistisch ist.

5. Besteht kesa aus Tridacna Muschelschale?

Die Annahme, dass kesa aus Tridacna besteht, wird durch folgende Autoren gestützt:

  • Scheffler vermutete, dass kesa aus fossiler Tridacna gemacht worden sei (1965, S. 200).
  • Miller (1978:292) berichtet, dass 1978 eine Grabung auf der traditionellen Nuatambu Seite die Annahme von Scheffler, kesa bestünde aus Tridacna, bestätigt habe.
  • Auch Lautz (2008:95) kam vor Ort zu dem Ergebnis, dass kesa aus Tridacna besteht.
  • Richards (2012), der in der Beschreibung der kesa Zylinder im Britischen Museum als Quelle angeführt wird, antwortete auf eine Anfrage von Herrn Prof. Dr. Denk: „In brief, the kesa are not made out of kuphus which has a powdery deposit and a tube narrower on one end than the other. Kesa are made out of a Tridacna species that has had long term fossilisation. Microscopic examination shows some kesa are made parallel to the grain and other were made at right angle to it“. (Übersetzung: Kurz dargestellt sind kesa nicht aus kuphus gemacht, der eine pulverige Ablagerung aufweist und eine Röhre hat, die an einem Ende enger ist als am anderen. Kesa sind aus einer Tridacna Art hergestellt, die einer langzeitigen Fossilisation (Versteinerung) unterworfen war. Eine mikroskopische Prüfung ergab, dass einige kesa parallel zur Maserung und andere im rechten Winkel dazu gemacht worden sind).

Wenn also kesa aus Muschelschale besteht und Kuphus als Ausgangsmaterial ausscheidet, dann kommt nur Tridacna gigas in Frage, die als einzige der 9 Tridacna Arten Schalen der erforderlichen Größe und vor allem in der Dicke produziert, die zur Herstellung solcher Zylinder notwendig ist.

Richards (2012) bringt hier eine interessante Variante ins Spiel. Er schreibt: „My belief is that the species of Tridacna used for kesa is unlike the species used elsewhere for rings etc. (neither are identical to the tridacna species alive today). This is to say that the Tridacna deposit from which kesa were made was very local to Nuatambu, and was probably exhausted by the early makers of Kesa“ (Übersetzung: Ich glaube, dass die für kesa benutzte Tridacna Art verschieden ist von den Arten die anderswo für Ringe etc. verwendet werden. Das heißt, dass das Tridacna Lager, von dem die kesa gemacht worden sind, örtlich auf Nuatambu beschränkt war und vermutlich durch die frühen Kesa Hersteller erschöpft wurde).

Diese Theorie würde zusammen mit den vorangegangenen Ausführungen bedeuten, dass dort im Zug der Inselentstehung fossiles Tridacna Material aus alter Zeit gehoben wurde, das Arten enthielt, die es heute nicht mehr gibt. Die Tatsache, dass es heute so schwer ist, das Material von kesa exakt zu bestimmen, spricht für eine solche Annahme. Dazu passt auch die Äußerung von Herrn Dr. Werner (2012, persönliche Kommunikation) wonach einige Merkmale eines kesa Zylinders, den er optisch begutachtete, auf Tridacna hindeuteten, aber nicht alle. Er berichtete von fossilen Tridacna Funden vor Kenia, deren Alter mit 128.000 Jahren angenommen wird. Im Vergleich zu heute können sich in dieser Zeitspanne  gravierende Veränderungen  ergeben haben. Auch das unter Ziffer 6 zitierte Gutachten, das zu dem Ergebnis kam, dass kesa und das untersuchte „clamshell“ Stück große Ähnlichkeit aufwiesen, kann man in diesen Zusammenhang stellen. Eine der kursierenden Mythen über die Entstehung von kesa erzählt, dass es von einem Meeresgott namens Laena hergestellt worden sei. Es habe sich als zu wenig erwiesen und Laena  habe versprochen, mehr zu produzieren. Im Kampf mit einer Schlange habe er jedoch sein Leben verloren, sodass die Leute vergebens auf weiteres kesa gewartet hätten. Deshalb gäbe es heutzutage so wenige kesa (Davidson 1996:36). Auch darin könnte sich die Erschöpfung des „Materiallagers“ spiegeln.

6.  Beratungsresistenter Museumsdirektor

Weiterhin schreiben die Autoren (übersetzt) „Diese Interpretation (durch den Pariser Wissenschaftler) bestätigt die von Lawrence Foanoata, dem Direktor des Museums in Honiara, für den die kesa von Sumpfwürmern stammen“ (S.136). Dieser Herr sollte es eigentlich besser wissen, denn unser Clubmitglied Koschatzky hat 1991 im Auftrag der damaligen Kuratorin des Museums in Honiara, Maria Lane, drei Materialien vergleichend untersuchen lassen: Das Stück einer Tridacna Beilklinge, kesa und ein Stück vom damals „Toledo worm“ genannten verdächtigen „Sumpfwurm“. Die Röntgenanalyse des Staatlichen Forschungsinstituts für angewandte Mineralogie Regensburg an der Universität Regensburg ergab einwandfrei, dass kesa und clamshell hauptsächlich aus Aragonit bestanden, das andere Material fast ausschließlich aus Calcit. Auch die mikroskopische Untersuchung ergab eine große Ähnlichkeit von kesa und clamshell; das andere Material unterschied sich von beiden.

Fazit des Gutachtens: „Kesa corresponds with clamshell“. Das Gutachten wurde eigens in Englisch abgefasst, damit es für das Museum in Honiara brauchbar war. Herr Foanoata scheint davon leider nichts zu wissen.

7. Falsch zitiert, unsauber recherchiert

In dem ganzen Artikel über kesa ist es schwer, die jeweilige Quelle der gemachten Aussagen zu erkennen. Der etwas sorglose Umgang mit Scheffler wurde bereits zuvor gerügt. Ähnliches gilt auch für die zweite Quelle Capell (1943). Beispielhaft will ich den letzten Absatz im Buch auf Seite 137 herausgreifen. Er stammt nahezu wörtlich aus dem Werk von Capell, nur enthält er neben einigen gravierenden Übersetzungsfehlern vom Englischen ins Französische eine sinnentstellende Veränderung in Bezug auf kesa.

Der letzte Satz darin lautet im Buch: „Il recevait alors un cochon et le nombre de rouleaux de kesa correspondant à la valeur de l´homme tué (übersetzt: Daraufhin erhält er ein Schwein und die Zahl kesa Rollen, die dem Wert des getöteten Mannes entspricht)“.

Bei Capell (1943, Seiten 24-25) lautet dieser Satz aber: „He is given a pig and a number of strings of kesa equal in number to the men killed“  (übersetzt: Er erhält ein Schwein und die Anzahl Stränge kesa die der Anzahl der getöteten Männer entspricht). Aus „Strängen“ sind bei den Autoren „Rollen“ geworden weil es anders nicht zu kesa gepasst hätte. .

Dem Zusammenhang, in dem dieser Satz bei Capell steht, entnehme ich, dass er sich hier auf Thurnwald bezieht und dieser hier nicht von Choiseul sondern von Gebräuchen auf Bougainville spricht. Schon  zuvor war bei diesem von „strings of shell-money“ die Rede. Auf Seite 23 zitiert Capell Thurnwald bereits mit der Anmerkung, dass eine Frau beim Tod ihres Mannes shell-money (kesa) von der Sippe ihres Mannes erhalte. Ich vermute dass der Begriff kesa in Klammern von Capell hinzugesetzt wurde in der irrigen Meinung, Muschelgeld und kesa seien eins. Der ganze Passus bezieht sich also sehr wahrscheinlich überhaupt nicht auf kesa sondern auf Muschelscheibchengeld. Übrigens war Capell nie selbst auf den Salomonen gewesen sondern hat nur vorliegende Literatur ausgewertet.   
Auf Seite 137 schreiben die Autoren schließlich: „Pour Scheffler et Capell, les kesa appartenaient à une famille ou à un clan, au meme titre que les cocotiers, et à l´inverse d´un cochon ou d´un jardin, qui représentaient des biens individuels (übersetzt: Für Scheffler und Capell gehören die kesa einer Familie oder einem Clan mit dem gleichen Recht wie die Kokosbäume im Gegensatz zu einem Schwein oder einem Garten, die durchaus Einzelnen gehören können)“. Diese Feststellung trifft jedoch für Scheffler nicht zu. Er schreibt  klar, dass auch viel kesa in Händen von „privaten“ Einzelpersonen war (Scheffler 1965, S. 117).

8. Fazit

a) Die Behauptung der Buchautoren, „working kesa“ sei grundsätzlich aus Kuphus Röhren hergestellt, ist falsch!  Sie ist aufgrund optischer und methodischer Einwände nicht haltbar. Sie trifft auf die von mir untersuchten Zylinder (Teile eines kompletten „working kesa“ mittlerer Größe) keinesfalls zu. Auch widersprechen sich die Autoren in ihrer Argumentation selbst.

Zudem sagt ein wissenschaftliches Material – Gutachten von 1991 eindeutig: kesa ist clamshell, also Tridacna.
Der Herstellungsort war offensichtlich auf die kleine Insel Nuatambu vor der Ostküste von Choiseul beschränkt. Möglicherweise wurden die kesa Zylinder aus langzeitig fossiliertem Tridacna Material hergestellt, das Arten enthielt, die es heute nicht mehr gibt.

b) Bei genauer Prüfung erweist sich, dass die Autoren zu sorglos mit diesem Thema umgegangen sind und ihnen fundierte Kenntnisse dazu offenbar fehlen. Die Analyse der von ihnen hauptsächlich verwendeten Literatur bestätigt dies. Umso mehr verwundert es, dass sie eine solche Behauptung publizieren.

–> 89-1-2013 Literaturverzeichnis zum Aufsatz Kesa… B.Rabus