Fritz Klusmeier:
Van Dijk, René: Women, Pigs and Shells – Lost Forms of Money I
Dowry Payment, Burial Money, Hoarding, Means of Exchange and Status – Symbol.Rijswijk o.O. 2016, 475 Seiten.ISBN: 978-90-825239-2-8
Bei dem vorliegenden Buch handelt es sich um eine Übersetzung des ersten von zwei in niederländischer Sprache erschienenen Publikationen (2016) ins Englische.
Dieser Band befasst sich mit Ozeanien (SS. 22-191), Asien (SS. 194-281) und Afrika (SS. 284-462), wobei die Kapitel zu Ozeanien und Afrika unterteilt sind in „Lost Forms of Money“ (beide Kapitel) und „Ornament(-money)“ –Kap. Ozeanien bzw. „Prestige objects and adornment money“ – Kap. Afrika.
Der Autor hat seiner Publikation Einleitungen vorausgeschickt (SS. 13-19), und am Schluss des Bandes gibt es ein ausführliches Literaturverzeichnis (SS. 465-474), aber leider keinen Index (möglicherweise in Band II, der mir nicht vorliegt).
Gliederungsprinzip ist die Anordnung der einzelnen Objekte nach dem Alphabet – wohl nach dem Vorbild von Opitz – mit dem Dilemma, eine Mischung von einheimischen Bezeichnungen und englischen in Kauf nehmen zu müssen: Nicht jeder Leser wird z. B. die Trobriand-Röcke unter der Bezeichnung „skirt-money“ suchen (S. 114f.) oder die sog. chinesischen Seelenschlösser (S. 251) unter der Bezeichnung „Silver adornment money“ oder die Ketten aus Buschmannperlen unter der Bezeichnung „Egg shell chain“ (S. 345). Weitgehend fehlen Angaben zu Maßen und Gewichten der Objekte, z. T. auch zu den verwendeten Materialien. Man wüsste auch gern, welche der vorgestellten Objekte der Sammlung des Autors angehören und welche möglicherweise nicht.
Der Autor hat in den Einleitungen seine Absichten mit der Publikation erläutert. Er hatte den Wunsch „to document my entire collection with specification of background“ (S. 13) – “The purpose of the book is to describe the most prominent lost forms of money of the world und to provide some background to them.” (S. 14) – “the aim to provide as nearly complete reflection of the various means of payment throughout the world as possible.” (S. 15) Und er wollte für die Niederlande eine Fachliteratur-Lücke schließen, “providing some background information”. (S. 15) Letzteres ist ihm gelungen; es gibt keine vergleichbare Publikation zum Thema, die so viel Text-, Bild- und Kartenmaterial zu den behandelten Objekten liefert.
Was die angestrebte Vollständigkeit der einschlägigen Geldformen angeht, bleiben natürlich einige Lücken; der Autor hat z.B. viele Formen des Warengeldes‚ (commodity money‘), nach Afrika importierte Geldformen, wie Korallenperlen, Neptunes, indische und europäische Textilien, Feuerwaffen und Schießpulver nicht berücksichtigt.
Der Autor hat als seine hauptsächlichen Erkenntnisquellen die „outstanding reference works“ von Quiggin und Opitz angegeben sowie für Afrika den Ballarini und für Amerika den Taxay. Opitz und Ballarini sind aber nur z. T. als Referenzen akzeptabel, da sie reihenweise Objekte präsentieren, die quellenmäßig nicht abgesichert sind. Man vermisst demgegenüber Referenzwerke wie z. B. Einzig, Rivallain und Deutsch. Dass der Autor auf viele (aber nicht alle) einschlägigen Beiträge aus dem „Primitivgeldsammler“ zurückgegriffen hat, war sicher nützlich, da diese Beiträge quellenmäßig solide belegt sind.
Der Autor hat sich leider, was seine Quellenbelege angeht, teilweise mit unsicheren Quellen zufrieden gegeben: Angaben von Händlern, Auktionshäusern, Galerien sind grundsätzlich mit Vorsicht zu genießen, da bei diesen potentiell ökonomische Interessen wichtiger sind als wissenschaftliche. So sind leider eine ganze Reihe von Objekten berücksichtigt worden, die keine Geldformen sind, z. B. im Kapitel Asien die chinesischen „Münzschwerter“ (S. 207), die Halsringe der Padaung-Karen-Frauen (S. 252), das ominöse indonesische Kugelgeld (S. 280f), oder die umstritten sind wie die chinesischen Kleinbronzen (S. 242f.) und der Silberschmuck (S. 251).
Erheblich problematischer ist aber die Objektauswahl im Afrika-Kapitel, für viele der vorgestellten Objekte fehlen belastbare Belege, die ihren Geldcharakter beweisen könnten. Was der Autor hier an Belegen anbietet sind z. T. einschlägige Galerien (Africa Curio, Africa and beyond, Africa Direct, Hamill Gallery), diese Firmen verzichten aber bei ihren Angeboten im Netz durch die Bank darauf, Quellen anzugeben ( sie könnten das auch bei vielen Objekten gar nicht, die sie als „currency“ verkaufen wollen). Andere vom Autor angegebene Referenzen sind Publikationen, die schon einschlägige Abbildungen der fraglichen Objekte bringen, aber keineswegs ihren Geldcharakter bestätigen (Publikationen zu ethnischem Schmuck oder Blankwaffen, z. B. Elsen, Gosseau, Leurquin).
Lieblingsreferenzen des Autors sind aber augenscheinlich die Bücher von Ballarini und Bartolomucci. Wenn man dann in diesen Publikationen nachschaut, findet man dort auch keine Belege. (Das gilt z. B. für die Objekte SS. 326, 339 unten, 353, 400, 442, 443, 446 bis 456.)
Auch sonst hat sich der Autor vor allem auf Sekundärliteratur berufen; und dabei ist z. B. auch Opitz, ein Vorbild des Autors, nicht in jedem Fall eine gute Adresse. Sekundärliteratur ist ja nur dann als Beleg brauchbar, wenn sie auf zeitgenössischen Texten, gut dokumentierten Museumsbeständen, unveröffentlichtem Archivmaterial oder Aussagen von Zeitzeugen fußt.
Abbildungen gibt es erfreulicherweise nicht nur von den Objekten selbst, sondern oft auch von den Objekten in situ. Die Druckqualität mancher Abbildung lässt aber zu wünschen übrig (zu dunkel!).
Das Literaturverzeichnis ist wie gesagt umfangreich, man vermisst jedoch, gerade was die Frage der Geldformen angeht, den einen oder anderen wichtigen Titel, z. B. Schmeltz / de Jong, Rivallain, Wieschhoff, Schurtz, Thilenius, Kürchhoff, Deutsch, Schneider, Petri, Sigler.
Wem nützt dieses Buch? Der Kenner der Materie wird die vorgestellten Objekte einzuordnen wissen, was die Frage des Geldcharakters angeht. Der interessierte Laie lernt viele Objekte und ihren „background“ kennen und wird begreifen, dass die Beschäftigung mit vormünzlichen Geldformen eine problematische Angelegenheit ist.