Federgeldamulette der Santa Cruz-Inseln

Verpflichtende Zitierweise. Obligatory citation. Citation obligatoire. Citazione obbligatoria. Citacion obligatoria. Citação obrigatoria. Verplichte aanhaling. obowiazkowy cytat: Reiter, Frank (2011): Federgeldamulette der Santa Cruz-Inseln. Primitivgeldsammler 32/1, pp. 39-41.

Federgeldamulette der Santa Cruz-Inseln

Feather-money charms of the Santa Cruz Islands
Amulettes de monnaie de plumes sur les iles Santa Cruz

Frank Reiter

Zu den bekanntesten und zweifellos attraktivsten traditionellen Geldformen Ozeaniens zählt das Federgeld (teau, tavau) der Santa Cruz-Inseln. Weniger bekannt sind dagegen die verschiedenen magischen Beigaben zum Federgeld. Diese auf der Hauptinsel Ndende (auch Nitendi, Nendö, Ndeni) nombue genannten Beigaben sollten nach Art eines Amuletts das Federgeld gegen Insektenfraß, Schimmel und sonstigen Schaden schützen und seinen Wert mehren. Darüber hinaus sollten sie dem Geldbesitzer bei Transaktionen Glück bringen, verbunden mit der Hoffnung, „dass ihm jeder von ihm verlangte Preisgezahlt wird, wenn er etwas verkaufen will.“ (Koch 1971, S.162).

Die Federgeld-Doppelrollen wurden traditionell mit trockenen Blättern einer Fächerpalmenart umhüllt. Darauf wurden die Beigaben gelegt, das Ganze in Rindenbaststoff gewickelt und mit Bast- oder Kokosfaserschnur verschnürt.

Bei meinem Aufenthalt auf den Santa Cruz-Inseln 2005 fragte ich in verschiedenen Dörfern auf Ndende, der größten Santa Cruz-Insel, nach derartigen Amuletten. Es zeigte sich, dass noch einige alte Männer von der Existenz solcher magischen Objekte wussten. Schließlich gelang es mir, mit Hilfe meines alten Freundes, Häuptling Kabi aus dem Dorf Luepe (Lwepe) an der Graciosa Bay, einige alte Federgeld-Beigaben zu erwerben, darunter ein altes, aus hartem Holz geschnitztes Brettchen mit einer aus dem Vollen gearbeiteten Figur eines Haifisches (Tafel XIX Abb.5).

PGS 32,1 (2011) Tafel 19 Abb. 5: Federgeldamulett mit-Haifigur

PGS 32,1 (2011) Tafel 19 Abb. 5: Federgeldamulett (L 22,6 cm) aus braunem Hartholz mit Haifigur

Die meisten Federgeld-Amulette bestanden aus Holz und waren oftmals mit geschnitzten oder aufgemalten Ornamenten versehen. Nach Koch (1971, S.163) verwendete man auf Ndende in den Dörfern der Graciosa Bay auch das Holz des nanulü-Baumes für derartige Amulette, da sich der Nektarvogel (Myzomela cardinalis), der die roten Federn lieferte, gern in Bäumen dieser Art aufhält. „…deshalb gilt die Beigabe aus solchem Holz als glückbringend, den Besitz von Federgeld mehrend„.

Die Form der hölzernen nombue ist recht vielfältig. Koch bildet ein ganze Reihe solcher aus Holz geschnitzten Beigaben ab (1971, S. 161 u. 162, Abb.133 u. 134). Meist handelt es sich um einfache X- oder Y-förmige Schnitzwerke (Tafel XVIII Abb.1) oder längliche, annähernd rechteckige Brettchen (Tafel XVIII Abb.2). Letztere sind oftmals mit reliefartigen Mustern beschnitzt oder am Rand mit Kerben versehen. Seltener sind mit rotem Ocker und schwarzer Farbe bemalte rechteckige Brettchen (Tafel XIX Abb.3) (Speiser und Foy 1913, S. 192, Abb.35, Koch 1971, S. 162, Abb.134 c und Edge-Partington 1890-1898, I, No. 2). Zwei weitere derartige Brettchen befinden sich im Museum für Völkerkunde in Leipzig (Me 1093 und Me 1094). Koch ist der Meinung, dass die aufgemalten Ornamente Scham-Tatauiermuster der Frauen darstellen (1971 S. 163).

PGS 32,1 (2011) Tafel 18 Abb. 1: Federgeldamulett

PGS 32,1 (2011) Tafel 18 Abb. 1: Federgeldamulett aus hartem Holz mit Zapfen in der Mitte. 19,6 x 18 cm

PGS 32,1 (2011) Tafel 18 Abb. 2: Federgeldamulett mit Gehängen

PGS 32,1 (2011) Tafel 18 Abb. 2: Federgeldamulett aus braunem Hartholz (L 21 cm) mit Gehängen aus halbierten Coix-Samen und Oliva-Schneckengehäusen

PGS 32,1 (2011) Tafel 19 Abb. 3: Federgeldamulett mit Tatauiermuster

PGS 32,1 (2011) Tafel 19 Abb. 3: Federgeldamulett aus sehr leichtem Holz mit „Tatauiermuster“ und Anhängseln aus halbierten Coex-Samen und roten Glasperlchen

Oftmals sind die hölzernen Amulette zusätzlich mit aufgebundenen Schneckenschalen oder Gehängen aus halbierten Coix-Samen mit spitzovalen Perlmuttanhängem oder Faserbüscheln an den Enden versehen (Tafel XIX Abb.4). Koch bildet einen „Anhänger (ndambo) für „magische Beigabe“ zum Federgeld“ ab und bezeichnet die Knochen des Anhängers fälschlich als „Wirbelknochen der mäpua-Schlange“ (1971, S. 163, Abb.135). In Wirklichkeit handelt es sich um Fischwirbel.

PGS 32,1 (2011) Tafel 19 Abb. 4: Federgeldamulett mit Natica-Schneckengehäusen

PGS 32,1 (2011) Tafel 19 Abb. 4: Federgeldamulett (L 20,7 cm) mit aufgebundenen Natica-Schneckengehäusen

Wahre Kunstwerke sind die relativ seltenen, mit figürlicher Schnitzerei versehenen nombue mit reliefartigen oder vollplastisch ausgearbeiteten Schildkröten-, Fisch- oder Bootsdarstellungen. (Tafel XIX Abb.5). Weitere Belegstücke im Musée de’l Homme (Ausstellungskatalog 2001, S. 154/155, Nr. 79-10, 79-11 u. 79-12) sowie im Metropolitan Museum of Art, New York (Kaeppler, Kaufmann, Newton 1994, S.554, Abb. 817).

Ungewöhnlich sind Federgeldamulette aus Stein, Muschel- oder Schneckenschale sowie Walzähnen. Im Dorf Venga (Vänga) auf Ndende konnte ich 2005 ein länglich-eiförmiges Objekt mit spitzen Enden aus subfossiler Tridacna-Muschelschale (Tafel XX Abb.6) erwerben. Es gleicht in der Form völlig den in Polynesien, Mikronesien und Neukaledonien verbreiteten Schleudersteinen. Die alten Männer in Venga versicherten mir jedoch, dass der „Stein“ zu einem Federgeld gehört habe. Bei Edge-Partington sind zwei identische Stücke (1890-1898,1, S. 163, No.6 u. 7) abgebildet. In der Legende zu den Abbildungen heißt es: „Charms always found in packets of money and considered of even greater value than the money itself and are consequently difficult to obtain. No. 6 resembles marble and No. 7 is a dark stone.“ Die Bezeichnung „marble“ (Marmor) legt nahe, dass es sich um subfossile Tridacna-Muschelschale handelt, da Marmor auf den Santa Cruz-Inseln nicht vorkommt.
Diese „steinernen“ Objekte sind aller Wahrscheinlichkeit nach Schleudersteine, die in alter Zeit als Waffen benutzt wurden und nun eine sekundäre Verwendung als magische Beigaben zum Federgeld erfahren haben.

PGS 32,1 (2011) Tafel 20 Abb. 6: Federgeldamulett Schleuderstein aus Tridacna

PGS 32,1 (2011) Tafel 20 Abb. 6: Als Federgeldamulett verwendeter Schleuderstein aus subfossiler Tridacna-Muschelschale (L 6cm, Dm 3,1 cm)

Im Dorf Luepe (Lwepe) in der Graciosa Bay von Ndende bekam ich einen kleinen, sehr alten Pottwalzahn mit fast schwarzbrauner Patina (Tafel XX Abb.7). Mir wurde versichert, dass er ebenfalls als „feather- money charm“ verwendet wurde. Bei der Seltenheit und Wertschätzung von Pottwalzähnen ist das durchaus glaubhaft, zumal Edge-Partington einen Eberhauer abbildet (1890-1898, I, S.163, No.5), den er ebenfalls zu den Federgeld-Amuletten rechnet.

PGS 32,1 (2011) Tafel 20 Abb. 7: Federgeldamulett Pottwalzahn

PGS 32,1 (2011) Tafel 20 Abb. 7: Als Federgeldamulett verwendeter Pottwalzahn (L 9,5 cm)

Zusammenfassend ist festzustellen, dass magische Beigaben für das Federgeld der Santa Cruz-Inseln aus verschiedenen Materialien und in unterschiedlicher Form existierten und mit dem Federgeld eng verbunden waren. Sie besaßen zwar keinen direkten materiellen Wert, waren jedoch nach dem Glauben der Inselbewohner sehr wichtig für die Werterhaltung ihres Geldes und für vorteilhafte Transaktionen.

Literaturverzeichnis (mit dem Datenerfassungssystem ILDAVOZ erstellt)

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