Verpflichtende Zitierweise. Obligatory citation. Citation obligatoire. Citazione obbligatoria. Citacion obligatoria. Citação obrigatoria. Verplichte aanhaling. obowiazkowy cytat: Menzel-Severing, Hans (2020): Barren aus Chiang Saen, eine Art Notgeld? Primitivgeldsammler 41/2, pp.55-60.
Barren aus Chiang Saen, eine Art Notgeld?
Hans Menzel-Severing
Einige Sammler und Händler thailändischer Geldformen erkennen die Barren von Chiang Saen (Tafel XXVII Abb.1), die unten beschrieben werden, nicht als Zahlungsmittel an, sondern betrachten sie als Phantasiegebilde. So führen Ronachai Krsadaolarn und Vasilijs Mihailovs (2012 / 2016) in ihren beiden Büchern keines dieser Stücke auf, und nur bei Michael Mitchiner (1979:354), Weber-Brosamer (1993:63) und Opitz (1991:96 und 2000:295f) sind sie zu finden. Hingegen widmet ihnen Louis Gardner (supplied by Paul Dillingham (1978) einen kurzen Artikel.)
„A few years ago a coin on a new and radically different type began to appear in the silvershops of Chieng Mai. A hoard of these coins had been discovered by the Yang tribes people in Northwest Thailand. The exact site may never be known both for reason of the inaccurancy of the information describing it but also due to the natu ral secrecy with which the tribes people guard their valuable find. The city is called „Ban Yang“ which in Thai means simply „the Yang vil- lage“. It is located somewhere in the rugged mountains of Me Hongsorn [Mae Hong Son, dazu Karte auf Tafel XXVII].The coins themselves are rectangular bars of impure silver.
Their shape is characterised by a slight rise or bump on the reverse side of the coins. Crystallisation indicates that these coins were cast in open molds. A complete set consists of six coins of the following sizes:
4 baht (60 grams); 3 baht (45 grams); 2 baht (30 grams); 1 baht (15 grams); 1/3 baht (5 grams); 1/6 baht 2,5 grams).
The loaf shape of the coins determines an obverse and reverse side. The stamps determine the top of the coin. These coins are stamped with four different marks. There is a circular design of the figure five in Siamese [siehe hier Abb.2 auf Tafel XXVIII].
A sen mark also found commonly on packsaddle money indicates that the coin is associated with the city state of Chieng Sen. „Sen“ means „one hundred thousand“ in Siamese but here it means the city of Chieng Sen. On the coin it is written as [siehe hier Abb.3 auf Tafel XXVIII].
A wheel of Vishnu is also one of the marks [siehe hier Abb.4 auf Tafel XXVIII].
Occasionally the end of the bars will be stamped with three small strokes. Possibly this was to discourage debasers from slicing off the ends of the coins. Many coins are worn, indicating that they were vigourously circulated.
Of course one would like to know why a hoard of Chieng Sen coins was discovered so far from Chieng Sen. Probably we will never have a satisfactory answer to this question. All that can be suggested at present is that Chieng Sen was the chief administrative city during the Burmese occupation of Northern Thailand and one of the best routes into Burma. The age of these coins cannot be determined.
(Ed. [Col Davidson] Note: The above article was supplied by Paul Dillingham who purchased Louis Gardner’s material. Paul advises that he doesn’t know of any complete sets outside the hands of collectors. He still has examples of the smaller sizes on his lists. They could prove scarce as time goes by.)“
Zunächst eine Anmerkung zu Gardners Beitrag: Das Dorf Ban Yang liegt zwar nördlich von Mae Hong Son, jedoch näher an der Stadt Fang. Ban Yang befindet sich am Ufer des kleinen Flusses Nam Kok, der bei Chiang Saen in den Mekong mündet. Also ist es gar nicht so weit von Chiang Saen entfernt. Dazu liegt es in westlicher Richtung zu den burmesischen Shan-Staaten, was bei den folgenden Überlegungen als durchaus wichtig erscheint. Siehe dazu die Karte auf Tafel XXVII.
Es handelt sich also im Folgenden um rechteckige Silberbarren, die alle den Stempel Chiang Saen tragen, dazu die Zeichen, die uns von den gebogenen Ka-Kim Stücken (Packsattelgeld) bekannt sind.
Wir können sie in zwei Gruppen einteilen, deren erste aus scharf geschnittenen, gehämmerten Barren besteht (Tafel XXIX Abb.5 / 6),
wohingegen die Barren der zweiten Gruppe gegossen sind und daher abgerundete Kanten zeigen (Tafel XXVII Abb.1). Auch ist die Qualität des Silbers in der zweiten Gruppe nicht mehr so gut.
Mitchiner (1979:354) datiert die erste Gruppe in die Zeit, in der der laotoische Prinz Sett’at’irat den Thron von Chiang Mai besteigt (1547), und er vermutet, dass die längliche Barrenform eingeführt wurde, um die Währung Lannas (heute das nördliche Thailand) der Erscheinungsform der laotischen Zahlungsmittel, der so genannten Tigerzungen, anzugleichen. Die zweite Gruppe datiert Mitchiner für die Zeit der burmesischen Besatzung Lannas.
Bevor ich zur Einordnung dieser Stücke einige Gedanken anstellen möchte, gebe ich zur Orientierung die wichtigsten Daten im Überblick (nach Wood 1924:103ff.):
1545 – König Müang Kesa (Phaya Ket) (ab 1526) von Chiang Mai wird umgebracht. Da er keinen männlichen Nachfolger hat, beansprucht der König P’ot’isarat von Luang Prabang (Laos) den Thron für seinen zwölfjährigen Sohn Satt’at’irat, dessen Mutter, Phra Nang Nhot-Kham (vgl. Viravong 1967:51), eine Prinzessin aus Chiangmai ist. Mit einem starken Heer setzt er diesen Anspruch durch.
1546 – Als Regentin (Maha Tewi) wird eine Prinzessin von Chiang Mai, Jirabrabha, eingesetzt.
1547 (1546?) – Sett’at’irat besteigt den Thron von Chiang Mai. König P’ot’isarat von Lan Chang stirbt bei einer Elefantenjagd. Sein Sohn geht nach Luang Prabang, um seine Thronfolge zu sichern. Er kehrt nicht nach Chiang Mai zurück.
1548/1551 – In Bürgerkriegswirren ist Lanna ohne König.
1551 – Für eine kurze Zeit regiert Thao Ma Ku, „the Chiang Mai Queen of Sett’at’irat“. Sie wird abgesetzt. In der Folge wird von den Führern Chiang Mais Mekut’i aus den Shan-Staaten anerkannt. (1564)
1556/1558 – Der burmesische König Bayinnaung erobert Chiang Mai. Chiang Mai wird unter Mekut’i zum Vasallenstaat Bayinnaungs.
1559 – Darauf schließt Sett’at’irat, der noch immer Anspruch auf Chiang Mai erhebt, ein Bündnis mit den Füh rern der Shan-Staaten und zieht mit einem gemeinsamen Heer nach Chiang Saen, wo er sich neun Monate halten kann (vgl. Viravong 1964:57). Bayinnaung besetzt jedoch die Gebiete der mit Sett’at’irat Verbündeten und zwingt sie so zur Aufgabe.
1564 – Ein Sohn Bayinnaungs wird von seinem Vater mit einer Strafexpedition gegen Chiang Mai beauftragt König Mekut’i flieht nach Vientiane. So erobern die Burmesen Vientiane, wo Mekut’i gefangen genommen wird, jedoch nicht der flüchtige Sett’at’irat. Im Oktober 1565 kehrt das burmesische Heer nach Burma zurück.
Prinzessin Phra Nang Visuti [1], Tochter von König Phraya Ket, wird als Regentin von Chiang Mai eingesetzt. Eine burmesische Garnison bleibt in Chiang Mai.[1]
1578 – Prinzessin Phra Nang Visuti stirbt. Ihr Nachfolger wird Tarrawaddi Min, ein Sohn Bayinnaungs.
1578 – 1595 – König Nokeo Koumane von Luang Prabang erklärt Chiang Mai den Krieg. Tarrawaddi Min bittet König Naresuan von Ayudhaya um Hilfe. So wird Chiang Mai 1595 Vasallenstaat Ayudhayas.
Um diese vielleicht verwirrende Darstellung kurz zu fassen: König Sett’at’irat, ehemals aus Chiang Mai vertrieben, zieht 1559 nach Chiang Saen, wo er sich neun Monate lang mit seinem Heer halten kann.
Nach dieser Übersicht möchte ich zur Entstehung der hier angesprochenen Silberbarren einige Anmerkungen machen:
Ich halte es für sehr fraglich, ob die längliche Form der Barren entsteht, um sie den laotischen Zahlungsmitteln, den Tigerzungen, anzugleichen. König Sett’at’irat bleibt nur für zwei Jahre in Chiang Mai. In dieser Zeit mag sein Vater in Luang Prabang Gedanken oder gar Pläne zur Vereinigung der beiden Reiche gehabt haben, allerdings konnten beide Könige durch die folgenden Ereignisse wohl kaum Einfluss auf das Wirtschaftsleben Lannas nehmen. Noch wichtiger ist wohl der Hinweis, dass die Herstellung von Geldstücken ja nicht zentral betrieben, sondern von den einzelnen Städten übernommen wurde. Bedenkt man die nun in Frage stehende Zeitspanne von der Thronbesteigung Sett’at’irats (1546/47) bis zu der Zeit, da der Einfluss Ayudhahays beginnt (1595), so haben wir immerhin etwa 50 Jahre, in denen diese Barren den Handel in ganz Lanna versorgt haben sollen. Dafür er- scheint mir die Anzahl der erhaltenen Exemplare zu gering, selbst wenn man das Einschmelzen in den darauf folgenden Zeiten berücksichtigt, und es muss nun überlegt werden, warum nur Stücke mit der Inschrift von Chiang Saen gefertigt wurden.
Betrachten wir die Barren genau, so stellen wir fest, dass die erste Gruppe aus relativ roh gefertigten Stücken besteht. Handwerkliches Geschick scheint also keine große Rolle gespielt zu haben, sondern allein das Abwiegen einer bestimmten Menge von Metall, dessen Silbergehalt dem der gebogenen Ka-K’im entspricht.
Die Stücke der zweiten Gruppe erfordern zwar durch den Guss mehr handwerklichen Aufwand, allerdings werden die Kosten dafür durch den ver minderten Feingehalt des Silbers mehr als ausgeglichen, zumal Arbeitskraft preiswert war.
1559 vereinigt König Sett’at’irat von Luang Prabang sein Heer mit jenen einiger Stammesfürsten der Shan- Staaten, um über Chiang Saen, wo er neun Monate bleibt, nach Chiang Mai zu ziehen. Die Münzwerkstätte von Chieng Saen ist also in seinem Machtbereich. Dort kann er zur Versorgung seiner Soldaten – möglicherweise seiner Verbündeten in den Shan-Staaten – Geld (aus erbeutetem Silber?) herstellen lassen, wobei allerdings Eile geboten ist (Ich habe zu Anfang erwähnt, dass der vermutliche Fundort von Ban Yang nordöst lich von Chiang Saen liegt und nicht weit davon entfernt ist.)
Sieht man genau hin: Die Schrift-Stempel der Barren haben die gleiche Umrissform wie auf den Ka-K’im. Sie ist leicht gebogen, um sich bei den Ka-K’im dem Verlauf der Schenkel anzupassen. Auf den rechteckigen Barren von Chiang Saen ergibt diese gebogene Form keinen Sinn, sodass wir davon ausgehen können, dass die schon vorhandenen Stempel der Ka- K’im gebraucht wurden, um eine Art Notgeld zu fertigen. Erst im Laufe der folgenden Zeit wurden gegossene Exemplare hergestellt, bei deren kleinen Stücken der Schriftstempel rechteckig ist. Dass bei ihnen das Silber etwas gestreckt wurde, liegt wohl in der Natur einer Kriegsfinanzierung.
Ein Saen-Barren, allerdings aus Kupfer oder Bronze, wurde 2018 von dem Auktionshaus Eur-Seree in Bangkok angeboten (45,24 Gramm, Länge 4,5 cm) (Tafel XXIX Abb.7).
Es ist das einzige mir bekannte Stück dieser Art.
In Anbetracht der nicht eindeutigen Datenlage schien es interessant, Untersuchungen über die Materialbeschaffenheit einiger Saen Barren vornehmen zu lassen.[2] Die Metallanalysen führten die PAZ Laboratorien für Archäometrie in Bad Kreuznach durch.
Für die Untersuchung standen die folgenden vier gegossenen Saen Barren (Tafel XXVII Abb. 1) zur Verfügung:
1) M.S.-groß: 4 baht 59,95 g
2) M.S.- klein: 1 baht 15,16 g
3) D.1808: ½ baht 7,28 g
4) D.1807: ½ bath 7,12 g
Die kleinen Barren D.1807 und D.1807 stammen aus der Sammlung von L. Gardener.
Zur Feststellung der Metallzusammensetzung wurde in den PAZ Laboratorien für Archäometrie eine zerstörungsfreie Oberflächenuntersuchung an mehreren Stellen der Barren mit einer portablen Röntgenfluoreszenzanalyse (p-RFA) durchgeführt. Mit dieser Untersuchungstechnik kann die Zusammensetzung der einzelnen Legierungskomponenten aber nur in der Objektoberfläche bestimmt werden. Aus konservatorischen Gründen wurde auf eine mechanische Materialentnahme verzichtet. Die Analysenergebnisse sind auf Tafel XXX zusammengefasst.
Die Ergebnisse sind nicht einheitlich. Bei den Barren zu 4 und 1 baht ist der Kupferanteil nahezu doppelt so wie der Silberanteil. Auch bei dem ½ baht Barren (D 1807) überwiegt der Kupferanteil den Silberanteil aber nicht so eklatant wie bei den beiden größeren Barren. Dagegen ist der Silberanteil bei dem ½ baht Barren (D 1808) fast doppelt so hoch wie der Kupferanteil. Die beiden kleinen ½ baht Barren weisen einen deutlich höheren Bleianteil auf als die beiden 4 bzw. 1 baht Barren. Die sogenannten „modernen“ Metalle Aluminium, Cadmium und Chrom wurden nicht nachgewiesen, was gegen Fantasie-Nachbildung der letzten 150 Jahre sprechen würde. Das schließt aber nicht aus, dass ältere Buntmetallreste einfach umgegossen wurden. Methodenbedingt bleibt auch das Innere der Barren derzeit unbekannt, denn die Barreneigentümer konnten sich nicht für die dazu notwendige Materialentnahme aus dem Barreninneren entscheiden, dennoch glaube ich der Bedeutung der Barren ein wenig näher gekommen zu sein.
[1] Die historischen Quellen gerade über diese Zeit sind sehr uneinheitlich. Hier folge ich dem Buch von Barlow (2000:18-19).
[2] Ich danke Herrn Prof. Dr. Rolf Denk für die Vermittlung der metallurgischen Analysen.
Literaturverzeichnis
-
- AUKTIONSKATALOG EUR-SEREE COLLECTING CO. (2018): Auction 50, Lot No. 2018, p. 39. Bangkok.
- BARLOW, Joel John (2000): Chiang Rai, Lanna. o.O.
- GARDENER, Louis (supplied by Paul DILLINGHAM) (1978): Chieng Sen Silver Bars. Journal of the International Primitive, Odd and Curious Money Club (Orange) 3/2 pp. 4-5.
- KRISADAOLARN, Ronachai and MIHAILOVS, Vasilijs (2012): Siamese coins from Funan to the fifth reign. Bangkok.
- KRISADAOLARN, Ronachai (2016): The Evolution of Thai Money: From its Origins in Ancient Kingdoms, Bangkok.
- MITCHINER, Michael (1979): Oriental coins and their values. Vol. III. Non-Islamic States & Western Colonies. A.D. 600-1979. London.
- OPITZ, Charles J. (2000): An ethnographic study of traditional money. Ocala.
- OPITZ, Charles J. (1991, 2nd ed.): Odd & curious Money. Descriptions and values. Ocala.
- VIRAVONG, Maha Silva (1964): History of Laos. New York.
- WEBER-BROSAMER, Bernhard (1993): Sammlung Köhler-Osbar. Bd. II/2. Vormünzliche Zahlungsmittel und Außergewöhnliche Geldformen aus Südostasien, Afrika und anderen Teilen der Welt. Duisburg.
- WOOD, William Alfred Rae (1924): A History of Siam: from the earliest times to the year A.D. 1781. Bangkok/Chiang Mai.