Buchbesprechung: Tridacna gigas – Objets de Prestige en Mélanesie

Buchbesprechung von B. Rabus

 

Éric Lancrenon & Didier Zanette: Tridacna gigas –
Objets de Prestige en Mélanesie

277 Seiten – Sprache: Französich – Tahiti, 2011

Zusammenfassung: Trotz verschiedener Mängel ein hoch interessantes und gut aufgemachtes Buch über Tridacna gigas im melanesischen Raum mit viel Information und wunderschönen Bildern. Ist man am Ende angelangt wünscht man sich eine Fortsetzung in weitere Regionen wie Mikronesien und Indonesien. Vielleicht kommt das ja noch.
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Schmuck, Geldformen und andere Objekte aus Tridacna Muschelschale werden in vielen Publikationen  abgebildet und beschrieben, doch meist als Teil eines geografisch oder ethnisch geordneten Ganzen. Das vorliegende Buch befasst sich ausschließlich mit der Verwendung von Tridacna gigas in Melanesien. Es ist in französischer Sprache geschrieben. Deren Eigenheiten begegnen uns schon in der Bezeichnung der Muschel als „bénitier“ was übersetzt Weihwasserbecken heißt. Hier klingt die frühe Verwendung der großen Muschelschalen in europäischen Kirchen an. Die Autoren stützen sich auf eigene Erfahrungen während zahlreicher Reisen, also auf das was sie gesehen und von Alten gehört haben. Sie haben aber auch vorliegende Literatur ausgewertet und eigene Schlüsse gezogen. Daraus ist ein höchst informatives und schönes Buch entstanden. Die aufwändigen Bilder auf hochklassigem Papier sind ein Augenschmaus. Eine deutliche Schwachstelle ist das Fehlen konkreter Angaben im Text zu den schriftlichen Quellen. Um eine Quelle nachzuprüfen ist man gezwungen,  die angeführte Publikation vollständig zu lesen.
Das Buch ist übersichtlich gegliedert. Zu Beginn erfahren wir viel über die Muschel selbst (z. B. dass auch sie Perlen produzieren kann, die dann bis zu 6 kg schwer werden können), ihr Vorkommen, ihre Verwendung in alter und in neuerer Zeit, über die Kopfjagd, bei der Objekte aus Tridacna Symbolkraft besaßen.  Interessant ist das Kapitel „Le fassonage“ (ab Seite 54), in dem über die verschiedenen Herstellungstechniken an unterschiedlichen Orten berichtet wird. Das geschilderte Prozedere für die Erzeugung von Muschelringen im Nordosten von Neuguinea (Seiten 58 ff.) ist zwar nicht neu, aber es ist schön zu sehen, dass es heute noch vereinzelte Personen gibt, die das alte Handwerk  beherrschen. In dieses Kapitel eingestreut findet sich „Rencontre avec Jack Saemalu“ (ab Seite 70). Hier wird ein Künstler vorgestellt, der seit 1980 barava Platten und –ringe nach alten Vorbildern herstellt. Die abgebildeten Objekte könnten durchaus als „alt“ durchgehen. Unter der Überschrift „Les objets de prestige“ finden wir neben Schmuckstücken des gesamten Raums, barava (Platten und Ringe) und Grabplaketten der Salomonen ein eigenes Kapitel „Les monnaies“ (ab Seite 97), das sich mit melanesischen Geldformen befasst und dabei wahre Prunkstücke abbildet. Zu loben ist, dass die Autoren nicht der Versuchung unterlagen, Schmuckformen oder auch barava einfach „zu Geld zu machen“. Sie beschränken sich auf Objekte, deren Geldcharakter nachgewiesen ist. Man darf hier kein Spezialwerk über Primärgeld erwarten, das liegt nicht in der Absicht des Buches. Trotzdem ist die Kenntnis, die sich die Autoren auf diesem Gebiet angeeignet haben, bemerkenswert. Die Texte stützen sich auch in diesem Zusammenhang auf eigenes Erleben und einschlägige Literatur und bemühen sich um Redlichkeit. Sie enthalten einige Beobachtungen und Aussagen, auf die ich im Folgenden näher eingehen möchte:

1. Namen der Tridacna Ringe in Nordost-Neuguinea
Hier geht es nicht um richtig oder falsch sondern um den Versuch, die Namensvielfalt etwas aufzuklären. Die abgebildeten Ringe (Seiten 111 – 121) werden im Buch als „Monnaie Maprik“, „Weinka – Monnaie Maprik“, „Weinka – Monnaie Yangoru“, „Yua – Monnaie Yangoru“, Monnaie yua Yangoru“ bezeichnet. Auf Seite 113 steht zu lesen, dass die Ringe in Yangoru heute „yua“ (große Ringe) und „weinka“ (kleine Ringe), oder auch „shell ring“ in Pidgin  genannt werden. Dazu ist Folgendes zu sagen:

  • „weinka“ ist ein Wort der Boikin Sprache, lautmalerisch ist es mit dem uns schon vertrauten Begriff „wenga“ gleichzusetzen.
  • „yua“ ist ein Wort der Abelam und bedeutet Muschelring.
  • „palyua“ ist das Abelam Wort für die Ringe mit „Nasenvorsprung“, der in           Wirklichkeit den Aufsatz auf dem Schnabel des Nashornvogels symbolisiert (wie die Buchautoren auch richtig schreiben).
  • Bei den Boikin kennen wir die Ringe mit dem Nashornvogelschnabel-           vorsprung als „kürük“ oder „kirik“. Sie sind lautmalerisch mit dem Begriff „greg“ gleichzusetzen, den Gerstner gebraucht (Gerstner, Andreas: Aus dem Gemeinschaftsleben der Wewäk-Boikin-Leute, Nordost-Neuguinea, Anthropos 48 (1953) pp.:413–457).
  • Die Abelam verstehen unter „yua“ ihre zwar großen aber sehr flach geschliffenen Tridacna Ringe. Die dicken, schweren Ringe sind den Boikin zuzuschreiben. Siehe dazu auch Rabus: Yua – Muschelringe aus Tridacna gigas, Der Primitivgeldsammler 16,2 (1995) Seiten 31- 47.

Diese Differenzierung vernachlässigen die Autoren wenn sie alle großen Ringe, egal ob dünn oder dick, als „yua“ bezeichnen und alle kleinen als „weinka“.

2. Tridacna Ringe der Astrolabe Bucht
Die „Nasen“ der auf den Seiten 52-53 und 118 abgebildeten und der Astrolabe Bucht zugeschriebenen Tridacna Ringe haben nichts mit Fischen (Haien) zu tun wie die Autoren auf Seite 117 schreiben, sondern die Ringe imitieren rund gewachsene Eberhauer (siehe dazu Kuhn/Rabus: Zähne zeigen.- Schwein gehabt, Der Primitivgeldsammler 25,1 (2004) Seiten 11-12 und Abb. 6 + 8). Der kulturelle Hintergrund dafür ist über die Siassi Inseln mit Neubritannien verbunden und nicht mit Nordost Neuguinea.

 3. Navela oder Navilah von der Insel Erromango im Vanuatu Archipel
Hier hält das Buch auf den Seiten 105 – 109 eine Überraschung bereit. Unter dem Titel „Die navilah genannten Steinringe der Neuen Hebriden“ hat Cornelis de Boer im Primitivgeldsammler 17,3 (1996), Seiten 351-354.zusammen getragen was zu diesem Thema bekannt war. Wie der Titel sagt, gingen die zurate gezogenen Quellen davon aus, die Ringe seien aus Stein. De Boer zitiert daneben den Missionar Robertson,  der berichtet hatte, dass ein Mann leicht durch den größten navilah kriechen könne und dass ein solcher navilah 40 – 50 Pfund wiegt und einen Durchmesser von 40 – 50 cm haben könne. Diese Aussage bezweifelte er. Lancrenon und Zanette bilden auf Seite 109 einen Ring mit dem nicht ganz runden Durchmesser von 45 x 30 cm ab sowie auf Seite 108 ein Foto aus der Sammlung des Centre culturel de Port-Vila, Vanuatu, auf dem ebenfalls ein großer Ring zu sehen ist. Beide bestätigen Robertson in seiner Angabe. Die Form zeigt außerdem klar, dass es sich um den Rand einer großen Tridacna Muschel handelt. Das Mittelstück wurde entfernt. Das bereichert unseren Wissensstand.

4. Kesa von der Insel Choiseul
Kesa von Choiseul sind die Seiten 134 – 138 gewidmet. Hier zeigt sich als Mangel eine wenig sorgfältige Literaturrecherche. Ihre Hauptquellen (Scheffler, Choiseul Island Social Structure, 1965 sowie Capell, Notes on the Islands of Choiseul and New Georgia, Solomon Islands, 1943) wurden teilweise falsch zitiert und interpretiert. Daneben wird die Behauptung aufgestellt, das „feine“ kesa sei nicht aus fossiler Tridacna sondern aus der Röhre eines Kuphus hergestellt worden. Die Frage der Wahrscheinlichkeit oder besser gesagt der Unwahrscheinlichkeit dieser Annahme wird in dem gesonderten Beitrag „Kesa und die Wissenschaft“ diskutiert.

Zusammenfassung: Trotz verschiedener Mängel ein hoch interessantes und gut aufgemachtes Buch über Tridacna gigas im melanesischen Raum mit viel Information und wunderschönen Bildern. Ist man am Ende angelangt wünscht man sich eine Fortsetzung in weitere Regionen wie Mikronesien und Indonesien. Vielleicht kommt das ja noch.